There's always a gun on the car
„There‘s always a gun on the car.“ An den Satz des erfahrenen Kollegen klammere ich mich wie an ein Mantra. Der verbeulte Landcruiser schaukelt durch die Schlaglöcher, vorbei an den Feeding Centers, entlang der unendlich scheinenden Reihe blauer Planen mit UNHCR-Logo.
Das Hotel liegt günstig, am K4, ein kleiner Verkehrskreisel auf halbem Weg zwischen dem Hafen und dem UN-Compund. Erst viel später sollte ich begreifen, dass dieses unscheinbare Hotel eine Oase war, wie es sie in solchen Regionen immer gibt. Der „Beach Club“ in Gaza, der „Deutsche Hof“ in Kabul, auch der Pizza-Lieferservice in Sarajevo. Oasen westlicher Pseudo-Normalität, Spaghetti Bolognese zum Abendessen, dann eisgekühltes Dosenbier, zum Gin der passende Tonic, am besten auf der Dachterrasse.
Wenn nicht der Weg wäre. Der schreckliche tägliche Weg vom K4 hinaus zum UN-Compound. Nur ein paar Kilometer, nichts problematisches, eine schnurgerade Straße, wenn auch verstopft von Eselkarren, Technicals und den allgegenwärtigen Landcruisern der NGOs oder derjenigen, die hier das Sagen haben. Der Weg führt über einen zentralen Platz: Den täglichen Khat-Markt.
Und die UN in ihrer unglaublichen Weisheit haben ihr tägliches Briefing auf fünf Uhr nachmittags angesetzt. Das scheint ein Naturgesetz, solche Briefings finden in solchen Regionen immer um fünf Uhr nachmittags statt. Das war schon im Vietnam-Krieg so, als sie zu den sprichwörtlichen „Five o‘clock follies“ wurden, das ist hier so. Den dritten Weltkrieg werden sie morgens um vier beginnen, aber nachmittags um fünf beim Briefing die Einzelheiten mitteilen.
Nachmittags um fünf, das ist die Zeit, wenn der Khat-Verkauf praktisch zum Erliegen kommt. Die frische Ware, am Vormittag auf irgendwelchen nur scheinbar geheimen Landepisten draußen am K50 ausgeladen. Hier auf dem Markt angeboten, umgesetzt, sofort konsumiert. Hunderte von Menschen sitzen apathisch herum, einige wenige erleben, wie ihre Apathie in Aggression umschlägt.
„There‘s always a gun on the car“, sagt auch der Fahrer beruhigend, als wir diese - gleich nach der Green Line - gefährtlichste Stelle der Stadt kurz vor fünf Uhr nachmittags passieren. Er spürt meine Nervosität, greift unter den Sitz und holt die abgewetzte Pistole hervor.
Als ob mir das etwas nützen würde, wenn die Hunderte draußen vor den Fensterscheiben aus ihrer Khat-Apathie erwachen. Wenn das Elend und die Verzweiflung und die Droge und der Hunger und die Wut sich verbinden. Wenn der Weiße da in dem Landcruiser das ist, was in diesem Moment alles symbolisiert, was ihr Elend ist. Weil er Amerikaner sein könnte. Oder sonst irgendwie mit den bewaffneten Weißen zu tun hat, die durch die Stadt patrouillieren.
Der einzige Weiße auf diesem Platz, in diesem Auto, das bin ich.
Aber there‘s always a gun on the car.
Abends, zurück im sicheren Hafen des Hotels, vor dessen Toren Männer mit Kalaschnikows Wache halten, kann ich fast darüber lachen. Wenn der amerikanische Verbindungsoffizier zu Besuch kommt, er und sein Fahrer die M-16 immer schussbereit vor die Brust gehängt. Wenn er mir erklärt, mit fachmännischem Blick auf die roten Leuchtkugeln über dem Stadtteil nebenan: „Red means shit.“ Darauf trinken wir einen Gin and Tonic.
Vier Wochen später wurde ein Freund und Kollege dort totgeschlagen.
Ich war nie wieder in dieser Stadt.
Das Hotel liegt günstig, am K4, ein kleiner Verkehrskreisel auf halbem Weg zwischen dem Hafen und dem UN-Compund. Erst viel später sollte ich begreifen, dass dieses unscheinbare Hotel eine Oase war, wie es sie in solchen Regionen immer gibt. Der „Beach Club“ in Gaza, der „Deutsche Hof“ in Kabul, auch der Pizza-Lieferservice in Sarajevo. Oasen westlicher Pseudo-Normalität, Spaghetti Bolognese zum Abendessen, dann eisgekühltes Dosenbier, zum Gin der passende Tonic, am besten auf der Dachterrasse.
Wenn nicht der Weg wäre. Der schreckliche tägliche Weg vom K4 hinaus zum UN-Compound. Nur ein paar Kilometer, nichts problematisches, eine schnurgerade Straße, wenn auch verstopft von Eselkarren, Technicals und den allgegenwärtigen Landcruisern der NGOs oder derjenigen, die hier das Sagen haben. Der Weg führt über einen zentralen Platz: Den täglichen Khat-Markt.
Und die UN in ihrer unglaublichen Weisheit haben ihr tägliches Briefing auf fünf Uhr nachmittags angesetzt. Das scheint ein Naturgesetz, solche Briefings finden in solchen Regionen immer um fünf Uhr nachmittags statt. Das war schon im Vietnam-Krieg so, als sie zu den sprichwörtlichen „Five o‘clock follies“ wurden, das ist hier so. Den dritten Weltkrieg werden sie morgens um vier beginnen, aber nachmittags um fünf beim Briefing die Einzelheiten mitteilen.
Nachmittags um fünf, das ist die Zeit, wenn der Khat-Verkauf praktisch zum Erliegen kommt. Die frische Ware, am Vormittag auf irgendwelchen nur scheinbar geheimen Landepisten draußen am K50 ausgeladen. Hier auf dem Markt angeboten, umgesetzt, sofort konsumiert. Hunderte von Menschen sitzen apathisch herum, einige wenige erleben, wie ihre Apathie in Aggression umschlägt.
„There‘s always a gun on the car“, sagt auch der Fahrer beruhigend, als wir diese - gleich nach der Green Line - gefährtlichste Stelle der Stadt kurz vor fünf Uhr nachmittags passieren. Er spürt meine Nervosität, greift unter den Sitz und holt die abgewetzte Pistole hervor.
Als ob mir das etwas nützen würde, wenn die Hunderte draußen vor den Fensterscheiben aus ihrer Khat-Apathie erwachen. Wenn das Elend und die Verzweiflung und die Droge und der Hunger und die Wut sich verbinden. Wenn der Weiße da in dem Landcruiser das ist, was in diesem Moment alles symbolisiert, was ihr Elend ist. Weil er Amerikaner sein könnte. Oder sonst irgendwie mit den bewaffneten Weißen zu tun hat, die durch die Stadt patrouillieren.
Der einzige Weiße auf diesem Platz, in diesem Auto, das bin ich.
Aber there‘s always a gun on the car.
Abends, zurück im sicheren Hafen des Hotels, vor dessen Toren Männer mit Kalaschnikows Wache halten, kann ich fast darüber lachen. Wenn der amerikanische Verbindungsoffizier zu Besuch kommt, er und sein Fahrer die M-16 immer schussbereit vor die Brust gehängt. Wenn er mir erklärt, mit fachmännischem Blick auf die roten Leuchtkugeln über dem Stadtteil nebenan: „Red means shit.“ Darauf trinken wir einen Gin and Tonic.
Vier Wochen später wurde ein Freund und Kollege dort totgeschlagen.
Ich war nie wieder in dieser Stadt.
40something - 10. Aug, 23:36
4 Kommentare - Kommentar verfassen - 0 Trackbacks - 494 mal gelesen