Lasst mich in Würde altern
Es waren goldene Zeiten. Mit Sorge blickten Politiker auf Arbeitslosenquoten im niedrigen einstelligen Bereich und fürchteten um den sozialen Frieden. Gewerkschaften streikten oder drohten auch nur mit Streik, um Lohnerhöhungen von zehn Prozent (!) durchzusetzen.
Damals, in der alten Bundesrepublik, traf ich sie auch überall im Ruhrgebiet: Die Männer, die bei feierlichen Anlässen oder am Sonntag in der Kirche ein Sakko übergezogen hatten und am Revers die Ehrennadel ihrer Gewerkschaft mit Stolz trugen. Meist in Silber, für 25 Jahre Mitgliedschaft, bisweilen, die Älteren, auch in Gold. Für 50 Jahre.
Ein gefürchteter sozialer Höhepunkt waren die Veranstaltungen, bei denen diese Ehrennadeln verliehen wurden. Der Ort war entweder eine Gaststätte, die schon die Wiege des Ruhrbergbaus erlebt hatte. Oder eine jene unterteilten Mehrzweckhallen, die partei- und städteübergreifend mit dem schönen Zweckwort Saalbau benannt wurden.
Da wurden sie dann auf die Bühne gerufen, je nach Gewerkschaft und Arbeitsort schritten sie mit stolz vorgerecktem Schreibtischtäterbierbauch, gebückter Haltung nach Jahrzehnten unter Tage oder der Statur des Stahlkochers auf das schlecht beleuchtete und mit grauslichen Blumenbuketten verzierte Podium. Der jeweilige Ortsvereinsvorsitzende, eine schlechte, aber lebensechte Umsetzung von Tucholskys Ratschlägen für einen schlechten Redner, hielt die übliche, leicht pathetische Rede. Dank an die Kollegen, Ringen um den gesellschaftlichen Fortschritt, Verbesserung der Arbeits- und Lebensbedingungen. Glückauf. Und schließlich überreichte er den Jubilaren ihre silberne oder goldene Ehrennadel, die sie gleich ans Revers steckten, um sie dann zu gesellschaftlichen Großereignissen wie der Konfirmation des Neffen mit bemüht unauffälligem Stolz zu präsentieren.
Vorbei.
Heute morgen war ein schlichter Umschlag in der Post.Darin eine ebenso schlichte, computergedruckte Urkunde und eine Art Streichholzschächtelchen: Eine silberne Ehrennadel. Für 25 Jahre Mitgliedschaft in der Gewerkschaftsbewegung.
Nicht, dass das Schächtelchen auch noch den ortographisch katastrophalen Aufdruck ehren.nadel 25 trägt, vermag mich richtig zu ärgern. Hat doch diese Gewerkschaft, die es bei meinem Eintritt vor 25 Jahren noch gar nicht gab, aus nicht direkt nachvollziehbaren Gründen ebenfalls einen Punkt mitten in ihrem Namen.
Auch die Pseudo-Vorausschau der Kollegen Hauptamtlichen lässt mich kalt, wenn auch ein wenig an ihrer internen Planung zweifeln. Schließlich war mein Eintritt im Juni 1981, so steht es auch auf der Urkunde. Nun ist es ja nett, wenn sie rechtzeitig daran denken. Aber Anfang März ist da doch arg früh – vielleicht darf ich die Nadel ja auch erst ab Juni anstecken?
Nein, schlimm ist die würdelose Art. Nun gut, ich wollte mich vielleicht gar nicht mit den anderen Jubilaren (ich, der Jubilar! Gibt gleich gefühlt 15 Jahre plus...) auf eine Bühne mit grauslichen Blumenbuketten stellen und schreckliche Reden eines Ortsvereins- oder Landesvorsitzenden anhören.
Aber ihr hättet mir wenigstens die Chance geben können, so was abzulehnen. Wer weiss, vielleicht wäre ich sogar gekommen.
Warum lasst ihr mich nicht in Würde altern?
Damals, in der alten Bundesrepublik, traf ich sie auch überall im Ruhrgebiet: Die Männer, die bei feierlichen Anlässen oder am Sonntag in der Kirche ein Sakko übergezogen hatten und am Revers die Ehrennadel ihrer Gewerkschaft mit Stolz trugen. Meist in Silber, für 25 Jahre Mitgliedschaft, bisweilen, die Älteren, auch in Gold. Für 50 Jahre.
Ein gefürchteter sozialer Höhepunkt waren die Veranstaltungen, bei denen diese Ehrennadeln verliehen wurden. Der Ort war entweder eine Gaststätte, die schon die Wiege des Ruhrbergbaus erlebt hatte. Oder eine jene unterteilten Mehrzweckhallen, die partei- und städteübergreifend mit dem schönen Zweckwort Saalbau benannt wurden.
Da wurden sie dann auf die Bühne gerufen, je nach Gewerkschaft und Arbeitsort schritten sie mit stolz vorgerecktem Schreibtischtäterbierbauch, gebückter Haltung nach Jahrzehnten unter Tage oder der Statur des Stahlkochers auf das schlecht beleuchtete und mit grauslichen Blumenbuketten verzierte Podium. Der jeweilige Ortsvereinsvorsitzende, eine schlechte, aber lebensechte Umsetzung von Tucholskys Ratschlägen für einen schlechten Redner, hielt die übliche, leicht pathetische Rede. Dank an die Kollegen, Ringen um den gesellschaftlichen Fortschritt, Verbesserung der Arbeits- und Lebensbedingungen. Glückauf. Und schließlich überreichte er den Jubilaren ihre silberne oder goldene Ehrennadel, die sie gleich ans Revers steckten, um sie dann zu gesellschaftlichen Großereignissen wie der Konfirmation des Neffen mit bemüht unauffälligem Stolz zu präsentieren.
Vorbei.
Heute morgen war ein schlichter Umschlag in der Post.Darin eine ebenso schlichte, computergedruckte Urkunde und eine Art Streichholzschächtelchen: Eine silberne Ehrennadel. Für 25 Jahre Mitgliedschaft in der Gewerkschaftsbewegung.
Nicht, dass das Schächtelchen auch noch den ortographisch katastrophalen Aufdruck ehren.nadel 25 trägt, vermag mich richtig zu ärgern. Hat doch diese Gewerkschaft, die es bei meinem Eintritt vor 25 Jahren noch gar nicht gab, aus nicht direkt nachvollziehbaren Gründen ebenfalls einen Punkt mitten in ihrem Namen.
Auch die Pseudo-Vorausschau der Kollegen Hauptamtlichen lässt mich kalt, wenn auch ein wenig an ihrer internen Planung zweifeln. Schließlich war mein Eintritt im Juni 1981, so steht es auch auf der Urkunde. Nun ist es ja nett, wenn sie rechtzeitig daran denken. Aber Anfang März ist da doch arg früh – vielleicht darf ich die Nadel ja auch erst ab Juni anstecken?
Nein, schlimm ist die würdelose Art. Nun gut, ich wollte mich vielleicht gar nicht mit den anderen Jubilaren (ich, der Jubilar! Gibt gleich gefühlt 15 Jahre plus...) auf eine Bühne mit grauslichen Blumenbuketten stellen und schreckliche Reden eines Ortsvereins- oder Landesvorsitzenden anhören.
Aber ihr hättet mir wenigstens die Chance geben können, so was abzulehnen. Wer weiss, vielleicht wäre ich sogar gekommen.
Warum lasst ihr mich nicht in Würde altern?
40something - 4. Mär, 13:51